Désirée B. befragt Marcel G.
Die beiden stehen kurz vor dem Fachabitur, sie im Bereich Erziehung, er im Bereich Ernährung und Hauswirtschaft. Marcel erzählt von seiner zuvor abgeschlossenen Ausbildung zum Fleischer bei einer großen Einzelhandelskette. Wegen der Begeisterung für sein Handwerk hat er ein Stück Schweinerücken mitgebracht und natürlich Messer und Stahl. Es wird kurz überlegt: erst auslösen oder erst sprechen. Dann setzen sich beide zum Interview.
Schnell wird klar, dass der Beruf des Fleischers heute fast nichts mehr mit der Tötung der Tiere zu tun hat. Das “Material”, so nennt es Marcel, wird angeliefert und vom Fleischer küchenfertig veredelt. Wir erfahren, dass man für die Tötung eine spezielle Ausbildung braucht, die aber nur wenige haben. Trotzdem leidet der Beruf unter den Klischees. Hinzu kommt, dass der Job hart und anspruchsvoll ist: Jeden Morgen früh raus, anderthalb Stunden ins Kühlhaus, die schweren Stücke zerlegen und die letzten zwei Stunden die Geräte putzen. Das alles ist nicht ohne und entsprechend hoch ist die Zahl der Abbrüche.
Aber es macht auch Spaß, erzählt er, und es ist kreativ, egal ob Fleisch vorbereiten, Würste machen oder Platten arrangieren. Das muss man alles können, da muss man sich was einfallen lassen, da ist man echt schöpferisch unterwegs. Und stolz erzählt Marcel von seinem Gesellenstück und zeigt uns ein Foto auf seinem Handy. Und dann spricht er über Qualität und Preise und das Drehteam staunt, als er rät, weniger Fleisch zu essen. Denn die Qualität bestimmt den Preis. Und da geht es wieder um artgerechte Schlachtung. Klar, dass Tiere auch Angst haben. Aber die Angst verdirbt das Fleisch. Durch den Stress wird die Glukose im Muskel verbraucht und es wird kaum noch Milchsäure gebildet. Die ist für die Fleischreifung zuständig und genau dieser Prozess findet nicht mehr statt. Das Fleisch wird blass und trocken und zäh. Besser ist es, wenn die Tiere es nicht merken, weil alles ganz schnell geht. Anatomie trifft Biochemie trifft Religion. Und er sagt:
Ein Schweinerücken ist mein Material, wie das Brett für den Tischler. Trotzdem will ich nicht vergessen, dass ein Tier dafür gestorben ist und dass man deswegen damit sorgsam umgehen muss.
Aber Marcel ist nicht nur Fleischer. Désirée fragt auch nach Zukunft, Karriere, Familie. Sie fragt, was Frauen darüber denken, wie andere reagieren, wenn er von seinem Beruf erzählt und ob er die Ausbildung empfehlen kann. Schon ist die Zeit um, das Gespräch kommt zum Schluss. Marcel zieht sich um und zeigt, was er gelernt hat. Und er zaubert Rollbraten, gefüllte Hirtenschuhe, Schmetterlingssteaks und Cordonbleu.
Das Videointerview und die didaktischen Materialien finden sich demnächst auf diesen Seiten.