„Das macht stark“

Am Beispiel der Studieren­den Jes­si­ca J. wird deut­lich, dass Anerken­nung im Beruf Glück und Erfül­lung bedeutet und neg­a­tive Erfahrun­gen im pri­vat­en Bere­ich in den Hin­ter­grund treten lassen kann. Jes­si­ca wuchs im Heim auf und berichtete wieder­holt, dass sie von ihrer Fam­i­lie kein­er­lei Unter­stützung erfahren habe. Den­noch ist es Jes­si­ca gelun­gen, trotz aller neg­a­tiv­en Erfahrun­gen während ihrer Kind­heit, sich schulisch und beru­flich zu engagieren und so für sich und ihren Sohn sor­gen zu kön­nen. Nicht zufäl­lig antwortet sie auf die Frage nach ihrer „früh­esten Erin­nerung“ mit dem „besten Erleb­nis“ zu Beginn ihrer Aus­bil­dung.

 

Kategoriale Bezüge von Beruf und Religion

Erfül­lung im Beruf — Sehn­sucht nach Anerken­nung (Recht­fer­ti­gung); Stolz und Leis­tung — Beruf­sethos (Glaube hat Werke)

 

Kompetenzen

Die Auszu­bilden­den nehmen ethis­che Entschei­dungssi­t­u­a­tio­nen im indi­vidu­ellen und gesellschaftlichen Leben wahr, reflek­tieren diese kri­tisch vor dem Hin­ter­grund bib­lis­ch­er Texte und kom­mu­nizieren ihre Ein­stel­lung mit ihren Kollegen_innen.

 

Stundenverlauf

Schü­lerin­nen und Schüler kom­men im nach vorne geöffneten Stuh­lkreis zusam­men. Zunächst erfol­gt eine Karten­abfrage zum The­ma „Arbeit, Beruf“: Welche Assozi­a­tio­nen verbinden die Jugendlichen mit den Begrif­f­en. Sie bekom­men drei Minuten Zeit, um einen Begriff gut les­bar auf ein­er zuvor verteil­ten Karte zu notieren. Der Begriff sollte ihre jew­eils erste Assozi­a­tion beschreiben. Dann bringt eine nach der anderen jew­eils ihren Begriff an die Tafel, liest ihn vor und erläutert ihre Vorstel­lun­gen, wenn sie/er das wün­schen.

Abschließend ord­nen ein oder zwei Schüler mit Hil­fe des Plenums die Karten nach von den Ler­nen­den vorgeschla­ge­nen Prinzip­i­en. Soll­ten keine Vorschläge zu möglichen Struk­turierungs­gesicht­spunk­ten zu find­en sein, emp­fiehlt sich eine „neg­a­tiv“ – „positiv“-Skala, unter der die Begriffe ein­ge­ord­net, Wieder­hol­un­gen sicht­bar gemacht wer­den kön­nen. Das Gesamt­bild wird im Plenum reflek­tiert.

 

Was bedeutet Jes­si­ca J. ihre Aus­bil­dung, ihr Beruf?

Ein Fall­beispiel

Der Beginn der Doku­men­ta­tion über die Erzieherin Jes­si­ca J. wird gezeigt (Fil­mauss­chnitt: 0:00´ bis 0:45´)

„Bahar S.: Was sind deine früh­esten Erin­nerun­gen, kannst du dich daran erin­nern?
Jes­si­ca J.: Meine früh­este Erin­nerung war für mich oder meine beste Erin­nerung war in einem Prak­tikum. Da hat­te ich eine tolle Kinder­garten­stelle. Und da war ein Kind, das war immer total nett, zurück­hal­tend. Und dann hat die Mut­ter mich aber mal darauf ange­sprochen, weil das Kind wohl zu Hause immer von mir erzählt hat, pos­i­tiv. Und dann war ich erst­mal über­rascht, weil der eigentlich immer so abweisend war, also so, als ob er für sich sein möchte und nichts mit mir zu tun haben will. Und ich bin auch oft auf ihn zuge­gan­gen. Und dann hat die Mut­ter mir halt erzählt, dass er sich nicht traut, weil ich so ein kleines Vor­bild für ihn bin. Und das war noch am Anfang mein­er Aus­bil­dung und das war so das beste Erleb­nis. Also, das hat mich auf jeden Fall sehr gestärkt in meinem Ziel, Erzieherin zu wer­den.“
Die Schüler/innen machen ein Blit­zlicht zu der Interviewsequenz.Blitzlicht
Lehrerim­puls 1: „Woran haben Sie eine ‚frühe, die früh­este Erin­nerung’?
Lehrerim­puls 1: „Han­delt es sich um Ereignisse aus dem pri­vat­en oder beru­flichen Bere­ich?
Die meis­ten Schü­lerin­nen und Schüler verbinden mit der „früh­esten Erin­nerung“ ver­mut­lich Ereignisse aus ihrer frühen Kind­heit. Jes­si­ca schildert ihre „beste Erin­nerung“ aus einem Prak­tikum zu Beginn ihrer Aus­bil­dung. Hier wird bere­its deut­lich, welch hohen Stel­len­wert der Beruf für die Studierende hat.

Die im Rah­men der Karten­abfrage ange­sproch­enen Hal­tun­gen gegenüber dem Beruf wer­den ver­tiefend disku­tiert. Was bedeutet dem einzel­nen Aus­bil­dung bzw. Beruf?

 

Die Leit­frage für fol­gende Unter­richt­sphase lautet: „Woran du (auf keinen Fall) dein Herz hängst!“

In einem näch­sten Schritt erhal­ten die Ler­nen­den Zitate von Philosophen, The­olo­gen, Schrift­stellern zum The­ma “Arbeit, Beruf”. Diese sind jew­eils einzeln auf Blät­ter gedruckt und wer­den  – je nach Größe der Lern­gruppe – min­destens dop­pelt kopiert. Die Zitat-Blät­ter wer­den auf einem Tisch aus­gelegt oder in der Mitte des Stuh­lkreis­es, Ler­nende (dur­chaus auch die Lehrende) wählen eines aus, das ihnen beson­ders ge- oder miss­fällt. Die Ler­nen­den erhal­ten 3 Minuten Zeit für die Lek­türe aller und die Auswahl schließlich eines Zitats. Eine nach der anderen stellt ihre Auswahl der Gruppe vor und begrün­det ihre Entschei­dung. Die Zitate wer­den wie die Begriffe der Ler­nen­den im Rah­men der Karten­abfrage eben­falls im Klassen­raum präsen­tiert bzw. geord­net aufge­hängt (auf einem zweit­en White­board, ein­er Stell­wand, Wand oder auch der zweit­en Tafel­hälfte). Bei­de Präsen­ta­tio­nen kön­nen nun ver­glichen und reflek­tiert wer­den. Weichen die Auf­fas­sun­gen der Philosophen, The­olo­gen, Schrift­steller von denen der Schü­lerin­nen und Schüler und des Lehrers ab? Wie bedeutet der Mehrheit Arbeit und Beruf? Sind es diese, woran sie ihr Herz hän­gen? Oder hän­gen sie ihr Herz keines­falls an die Aus­bil­dung, sind Pri­vates oder ein Hob­by wichtiger? Wäre ein Leben ohne Arbeit schön­er?

Hier kom­men die Texte der Karten mit Aus­sagen zum Beruf:

“Arbeit ist oft die einzige Erhol­ung von der Last des Daseins” (
Peter Roseg­ger, 1843–1918, öster­re­ichis­ch­er Schrift­steller).

 

“Arbeit bedeutet atmen für mich, wenn ich nicht arbeit­en kann, kann ich nicht atmen ” (
Pablo Picas­so, 1881–1973, spanis­ch­er Maler, Graphik­er und Bild­hauer).

 

Arbeit ist sicht­bar gemachte Liebe.
Khalil Gibran (1883–1913), libane­sis­ch­er Schrift­steller

“Der Beruf ist der von Gott gewollte Garten, in dem wir zur Ewigkeit her­an­reifen sollen” (
Franz von Sales, 1567–1622, franzö­sis­ch­er katholis­ch­er The­ologe, Grün­der des Sale­sianer­in­nenor­dens, Bischof).

 

“Nicht, was er mit sein­er Arbeit erwirbt, ist der eigentliche Lohn des Men­schen, son­dern was er durch sie wird” (
John Ruskin, 1819–1900, englis­ch­er Schrift­steller, Kun­stkri­tik­er und Sozial­philosoph).

 

“Arbeit hat eine per­son­ale Dimen­sion, ist Selb­stfind­ung: Arbeit kann und soll ein Ort der Men­schw­er­dung des Men­schen sein. Selb­stfind­ung geschieht nicht nur durch den Weg nach innen, son­dern auch durch jede sin­nvolle Arbeit” (
Fried­helm Hengs­bach, geb. 1937, deutsch­er Jesuit­en­pa­ter, Sozialethik­er).

 

“Wie das Pferd zum Ren­nen, der Ochse zum Pflü­gen, der Hund zum Auf­spüren, so ist der Men­sch zum Han­deln und Arbeit­en geboren” (
Aris­tote­les, 384–322 v.Chr., griechis­ch­er Philosoph und Natur­forsch­er).

 

“Vor allen Kindern, die uns begeg­nen, soll­ten wir uns tief und ehrfurchtsvoll verneigen; sie sind unsere Her­ren, für sie arbeit­en wir” (
Lud­wig Börne, 1786–1837, deutsch­er Schrift­steller, Demokrat).

“Arbeit ist ein Rauschgift, das wie ein Medika­ment aussieht” (Ten­nessee Williams, 1914–1983, US-amerikanis­ch­er Dra­matik­er).

 

“Die große Mehrzahl der Men­schen arbeit­et nur notge­drun­gen, und aus dieser natür­lichen Arbeitss­cheu der Men­schen leit­en sich die schwierig­sten sozialen Prob­leme ab” (
Sig­mund Freud, 1856–1039, öster­re­ichis­ch­er Psy­cho­an­a­lytik­er).

 

“Die Arbeit ist eine Verge­wal­ti­gung der men­schlichen Natur” (
Simone Weil, 1909–1943, franzö­sis­che Philosophin).

Abschluss

„Woran du nun ‚sage ich, dein Herz hängst und worauf du dich ver­lässt, das ist eigentlich dein Gott“ (Mar­tin Luther, Großer Kat­e­chis­mus, 1580).

Abschließend fragt die Lehrende nach dem Ursprung des Pro­jekt-Titels: „Woran du dein Herz hängst“. Ver­mut­lich weiß kaum ein Schüler, dass hier ein Zitat von Mar­tin Luther gewählt wurde.
Der Titel des Pro­jek­ts ist Pro­gramm: „Woran du nun ‚sage ich, dein Herz hängst und worauf du dich ver­lässt, das ist eigentlich dein Gott“, so Mar­tin Luther bekan­ntlich im Großen Kat­e­chis­mus. Die Ver­schriftlichung des Luther-Zitats kön­nte für die Dauer der Rei­he im Kurs-Raum hän­gen bleiben.