Die angehende Erzieherin Jessica J. zeigt während des gesamten Interviews ein hohes Reflexionsniveau. Sie, die ohne Unterstützung der Familie in einem Heim aufwachsen musste, sorgt nicht nur hingebungsvoll für ihren Sohn, sie engagiert sich darüber hinaus in ihrem Beruf.
Im Beruf (und in der Freizeit) werden wir stets aufs Neue vor Entscheidungen gestellt, von denen wesentlich abhängt, wie unser Zusammenleben in der Gesellschaft aussieht. Jeder einzelne trägt erheblich bei zur Atmosphäre und Qualität des Miteinander. Durch die Bereitschaft, anderen beizustehen, sie zu unterstützen in schwierigen Situationen, können wir in ausnahmslos jedem Beruf viel Positives für eine Gemeinschaft bewirken. Ob als Chirurg oder Bäcker. Wir können stets den für den anderen alles entscheidenden Beitrag leisten, und manchmal, pathetisch gesagt, – vielleicht ohne, dass wir es wissen – Leben retten. Das ist Beitrag zum „Reich Gottes“. Die angehende Erzieherin Jessica J. entscheidet sich gegen bloßen „Dienst nach Vorschrift“ und engagiert sich für eine Hilfe suchende Mutter.
Kategoriale Bezüge von Beruf und Religion
Erfüllung und Engagement im Beruf — Nachfolge und Arbeit am Reich Gottes; gesellschaftliches Engagement — Nächstenliebe
Kompetenzen
Die Auszubildenden nehmen ethische Entscheidungssituationen im individuellen und gesellschaftlichen Leben wahr, reflektieren diese kritisch vor dem Hintergrund biblischer Texte und kommunizieren ihre Einstellung mit ihren Kollegen/innen.
Ein Fallbeispiel
Der Beginn der Dokumentation über die Erzieherin Jessica J. wird gezeigt (Filmausschnitt: 4:08´ bis 5:02´)
Bahar S.: Die Anerkennung der Eltern bedeutet für dich was?
Jessica J.: Die Anerkennung bedeutet mir schon sehr viel. Weil dadurch, finde ich, merkt man auch ein bisschen, dass man seinen Job gut macht. Wenn man die Eltern fragt, also das ist ja auch von den Kindern abhängig. Entweder erzählen die Kinder über dich zu Hause bei ihren Eltern oder sie erzählen nicht. Dann zeigt das ja auch mir, dass ich gut den Kindern Aufmerksamkeit schenke und dass die Kinder, dass ich einfach bei den Kindern im Inneren bleibe.Bahar S.: Gibt es eine positive Situation mit einem Elternteil? Also woran kannst du dich erinnern, wo du so gesagt hast: „Boah, da war ich richtig stolz, das hat mir richtig gut gefallen.“
Jessica J.: Ja eine, eine gute Erinnerung. Die ist noch gar nicht so lange her. Ich arbeite nebenbei als Honorarkraft in einer OGS (Offene Ganztagsschule; Anm. d. Red.) und nachmittags rief eine Mutter dann an und meinte, ihr Kind wäre nicht nach Hause gekommen. Und ich war mir aber sicher, dass ich ihn geschickt hatte, weil manche Kinder dürfen auch schon alleine nach Hause gehen.“
Erarbeitung I: Was soll ich tun?
- Bildet zwei gleich große Gruppen. Sucht Euch eine der beiden Rollen aus, die in der Interviewsequenz vorkommen: Erzieher/-in oder Mutter/Vater/Erziehungsberechtigte/r: Alle Teilnehmer der einen Gruppe versetzen sich in die Rolle der Mutter, die Teilnehmer der anderen in die Rolle der Erzieherin.
- Beantwortet die Frage: „Welche Erwartungen hat sie, wie verhält sie sich?“
- Formuliert in Einzelarbeit einen inneren Monolog entweder aus der Perspektive der Mutter (und schreibt Eure Antwort auf rote Karten) oder der Erzieherin (und schreibt Eure Antwort auf grüne Karten).
Information “Innerer Monolog”
Formulieren Sie die Gedanken und Überlegungen, die einer Person während einer bestimmten Situation durch den Kopf gehen. Im Rahmen des inneren Monologs ist alles erlaubt. Die Sätze müssen nicht vollständig sein, Überlegungen können Gedankensprünge aufweisen oder auch umgangssprachliche Formulierungen.
Seien Sie kreativ!
Sie haben 5 Minuten Zeit.
- Lesen sie nun Ihre Antworten (Ergebnisse) vor: Tragen Sie dabei jeweils im Wechsel einen inneren Monolog der Mutter sowie einen der Erzieherin vor.
- Diskutieren sie anschließend Ihre Ergebnisse im Plenum:
Welches Verhalten der Erzieherin ist aus Sicht der Mutter wünschenswert?
Aus welchen Gründen handelt die Erzieherin möglicherweise anders? - Welche Möglichkeiten hat die Erzieherin aus Ihrer Sicht, um verantwortungsvoll zu handeln?
Didaktische Hinweise
- Deutlich werden Sorge und Angst der Mutter, die möglicherweise nicht die erwünschte Unterstützung im Verhalten der Erzieherin findet. Der Perspektivwechsel ermöglicht Empathie für die Erwartungen der Mutter.
- Das Vorstellen der Ergebnisse funktioniert wie ein Spiel. Eine Schülerin der einen Gruppe liest vor und wählt sich rasch eine Partnerin aus der anderen, die dann komplementiert. Es wird mit der Rollenkarte einer Mutter begonnen.
- Das Tafelbild — oder andere Form der Präsentation — sollte nach den folgenden Gesichtspunkten gestaltet werden, da es die Grundlage bildet frür die vertiefende Erarbeitung II.
Mögliche Handlungsoptionen der Erzieherin
— geht Kind suchen
— schickt jemanden, das Kind suchen
— kann nichts machen, will keinen Ärger, muss in der Einrichtung bleiben (Rechtslage)
— wartet ab, das Kind taucht schon wieder auf
— warum soll sie was machen, sie hat sich richtig verhalten, nicht ihre Verantwortung
— nicht ihr Bier, sie hat das Kind korrekt geschickt; sie hat sowie so schon viel Arbeit
Vorteile des Suchens des Kindes
— Verhinderung von Gefährdungen
— „Rettung“ des Kindes
— Arbeitszufriedenheit, Glücksgefühl
— Freude der Mutter, Glücksgefühl
Nachteile
— mehr Arbeit
— Juristische Verunsicherung: Darf ich das?
— nachher „reißt das ein“, alle erwarten diesen Service künftig von mir
Erarbeitung II: Wie soll sich der Mensch aus biblischer Perspektive verhalten?
Arbeitsteilige Gruppenarbeit
Didaktische Hinweise:
- Je nach Vorkenntnissen schlagen die SuS die Stellen in der Bibel nach oder aber sie erhalten Karten mit den Texten und Aufgaben.
Hier kommen nun die Bibeltexte:
1. Bibeltext: Gleichnis vom verlorenen Schaf (Lk 15,4–6)
“Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eins von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er’s findet? 5Und wenn er’s gefunden hat, so legt er sich’s auf die Schultern voller Freude. 6Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war.”
2. Bibeltext: Die goldene Regel (Lk 6, 31–35):
“Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch! Und wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Dank habt ihr davon? Denn auch die Sünder lieben ihre Freunde. Und wenn ihr euren Wohltätern wohltut, welchen Dank habt ihr davon? Denn die Sünder tun dasselbe auch. Und wenn ihr denen leiht, von denen ihr etwas zu bekommen hofft, welchen Dank habt ihr davon? Auch die Sünder leihen den Sündern, damit sie das Gleiche bekommen. Vielmehr liebt eure Feinde; tut Gutes und leiht, wo ihr nichts dafür zu bekommen hofft. So wird euer Lohn groß sein und ihr werdet Kinder des Allerhöchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.”
3. Bibeltext: Die Gerechten lindern Not (Mt 25, 34–40)
Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen. Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben, oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen, oder nackt und haben dich gekleidet? Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen? Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.
4. Bibeltext: Das Hohelied der Liebe (1.Kor 1,1–8.13)
“Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze. Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. Die Liebe hört niemals auf (…) Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.”
5. Bibeltext: Die goldene Regel und das Gebot der Nächstenliebe
“So ihr das königliche Gesetz erfüllet nach der Schrift: ´Liebe deinen Nächsten wie dich selbst,´ so tut ihr wohl” (Jakobus 2.8)
“Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.” (Matthäus 19.19)
Und das andere ist ihm gleich: “Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.” Es ist kein anderes Gebot größer denn diese.” (Markus 12.31)
“Denn alle Gesetze werden in einem Wort erfüllt, in dem: ´Liebe deinen Nächsten wie dich selbst´.” (Galater 5.14)
“Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten.” (Mt 7, 12 )
“Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu” (Tob 4, 16).
“Du sollst dich nicht rächen, noch Zorn bewahren gegen die Kin-der deines Volks. Du sollst deine Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR” (3. Mose, 18 ).
Aufgaben für alle Bibeltexte:
- Lesen Sie folgende Bibelstelle und fassen Sie die Grundaussagen des Textes zusammen.
- Beantworten Sie mithilfe dieser Grundaussagen folgende Fragen:
- Wie soll sich der Mensch aus biblischer Perspektive verhalten?
- Diskutieren Sie mögliche Bezüge zur im Film dargestellten beruflichen Situation der angehenden Erzieherin Jessica J..
- Kennen Sie ähnliche Situationen aus Ihrem Ausbildungsalltag?
- Dokumentieren Sie Ihre Ergebnisse auf der Folie und präsentieren Sie diese Ihren Mitschülerinnen und Mitschülern.
Sie haben 20 Min Zeit
Didaktische Hinweise:
Vorstellung der Ergebnisse — visualisiert auf Folie
Jede/r Kursteilnehmer bekommt eine Kopie mit sämtlichen Bibeltexten. (M7) Jede Gruppe liest „ihren“ Bibeltext vor und präsentiert ihre Ergebnisse, die auf einer Folie visualisiert wurden. Der Lehrer notiert an der Tafel Kurz-Ergebnisse der Gruppen. Die Folien werden nach dem Unterricht von der Lehrenden kopiert für jeden und in der nächsten Stunde für das Portfolio der einzelnen mitgebracht. Folgender Präsentation ist denkbar:
Wie soll sich der Mensch aus biblischer Perspektive verhalten?
- Sich Kümmern um den einzelnen (Gleichnis vom verlorenen Schaf Lk 15,4–6)
- Nicht nur Freunden helfen, Feindesliebe, Goldene Regel (Lk 6, 31–35)
- Gerechte lindern Not ohne Ansehen der Person (Mt. 25, 34–40)
- Love-love-love – Die Liebe ist das Wichtigste (Das Hohe Lied der Liebe, 1. Kor. 13, 1–13)
- Goldene Regel, Nächstenliebe
Abschluss mit der Fortsetzung Fallbeispiel: Und wie verhält Jessica sich?
(Filmausschnitt 5:02´bis 5:54´)
Jessica:
„Ja, und da kein Kind mehr in meinem Spätdienst war, hab ich dann abgeschlossen und hab′ das Kind natürlich gesucht, weil die Mutter, die war total aufgelöst und war am Weinen. Und dann hab′ ich gesagt: „Ich gebe ihnen mal meine Handynummer, ich suche ihren Sohn jetzt.“
„Ich gebe ihnen mal meine Handynummer, ich suche ihren Sohn jetzt.“ Und sie hat von einer anderen Richtung aus gesucht und dann hab ich den Kleinen tatsächlich gefunden. Und der war im Prinzip nur auf′m Spielplatz und hat sich da nichts bei gedacht. ‚Ich geh jetzt auf′n Spielplatz.‘ Er hat einfach gar nicht daran gedacht, dass seine Mutter sich Sorgen macht. Und dann hab ich ihn nach Hause gebracht und die Mutter war so glücklich, die hat so geweint vor Freude, weil sie natürlich gedacht hat, irgendwas ist mit ihrem Kind passiert. Und als ich dann am nächstem Tag zur Arbeit kam, hatte ich halt einen riesigen Strauß Blumen und eine Schokolade als Dankeschön da. Und dann hab′ ich mir schon gedacht: ‚Okay, du machst das schon richtig.‘ Ich meine, ich bin keine Person, die dann sagt: „Okay, der kommt gleich schon, rufen sie dann noch mal an, wenn das Kind da ist.“ Und das war ein richtig schönes Erlebnis, was mich richtig stolz gemacht hat, einfach zu wissen: ‚Okay, du hast alles richtig gemacht.‘“
- Lesen Sie sich die Filmsequenz durch: Beschreiben Sie die Gefühle, die Jessica hier schildert.
- Setzen Sie die Einstellung Jessicas mit den Bibeltexten in Verbindung: Wie lässt sich das Verhalten von Jessica mit den biblischen Texten beschreiben?
- Kennen Sie ähnliche Situationen aus Ihrem Privatleben oder Berufsleben, die Sie beschreiben können?
- Suchen Sie isch den Bibeltext heraus, der Ihnen am besten gefallen hat: Formulieren sie ein ethisches Leitmotiv für Ihren Berufsalltag.
1 Gedanke zu „„Alles richtig gemacht““
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