Manchmal müssen wir vor dem Schneiden erst zusammen weinen

Andreas St. und Manuela M. im Gespräch über das Friseurhandw­erk

Für Manu und Andreas ist es nicht die erste Aus­bil­dung, die Friseurin und der Friseur, und es ist auch nur ein weit­er­er Schritt in einem größeren Plan. Für ihn ist es ein Her­ren­sa­lon nach englis­chem Vor­bild und für sie ein Stu­dio im Stil der 50er Jahre. Um so etwas umzuset­zen, braucht man in Deutsch­land einen Meis­ter­brief und vor den hat die Handw­erk­skam­mer die Gesel­len­prü­fung geset­zt.

Der Weg dor­thin ist weit, aber die Ideen sind schon da und sie kom­men aus der ganzen Welt. In Manus Tat­too-Stu­dio in Salzwedel trifft geballte Kreativ­ität auf solides Handw­erk. Auf die Frage nach dem wichtig­sten Werkzeug erzählt Andreas von seinem Kamm, einem amerikanis­chen Mod­ell. Jed­er Zinken wurde sep­a­rat mit einem Bimsstein abge­zo­gen, so dass noch der fein­ste Grat abgeschlif­f­en ist. Damit wird kein Haar mehr ges­plis­sen, und die Haare fall­en wie sie sollen. So ein Werkzeug gibt man nicht aus der Hand, damit lebt man, damit wird man alt. Vielle­icht gibt man es an seine Kinder weit­er oder an einen Schüler.

Andreas: Ich pro­biere jet­zt viel mit dem Rasier­mess­er. Das ist altes Handw­erk, das lebt irgend­wie durch dich weit­er, das geht son­st ver­loren. Man geht damit über die eige­nen Gren­zen hin­aus, arbeit­et an etwas mit, das viel größer ist als man selb­st. Das ist irgend­wie auch ein Stück Fam­i­lie oder Leben­straum. Man gibt etwas an andere weit­er, bildet sie aus, fördert sie in ihrer speziellen Begabung. Ich sehe mit­tler­weile, ob jemand da ein Tal­ent oder eine Begabung hat und den will ich nach vorne brin­gen. Das ist auch so eines mein­er Ziele.

Aber mit den Käm­men und Scheren arbeit­et man nicht nur an Frisuren und Bärten, man arbeit­et direkt am Selb­st­be­wusst­sein der Men­schen.

Manu: Ich merke, dass die Men­schen durch die Frisur, die ich ihnen geschnit­ten hab, selb­st­be­wusster wer­den, schön­er und sich attrak­tiv­er fühlen. Ich hab mal auf ein­er Hochzeit ein­er Braut die Haare noch schnell gemacht, da war es extrem deut­lich.

Und dann bekommt das Gespräch eine seel­sorg­er­liche Wen­dung.

Manu: Es gibt Leute hier in Salzwedel, die kom­men ewig zu uns in den Salon und lassen sich die Haare machen. Ich kenne die seit Jahren. Die erzählen jedes Mal von der Fam­i­lie, vom Job, vom All­t­ag und von den Ferien, von der Poli­tik, von der Woh­nung, vom Garten, eben alles.  Und ich bekomme alles mit und sie wis­sen, dass ich das weiß. Das kann man irgend­wie mit dem Beruf des Pfar­rers ver­gle­ichen. Eine Friseurin ist bis zu einem bes­timmten Punkt eine Art Seel­sorg­erin und manch­mal ist es so, dass wir vor dem Schnei­den erst mal ’ne Runde weinen müssen und reden und zuhören und trösten … Ein Buch, das ich mag, erzählt davon, dass Gott eine Frau ist. Vielle­icht hil­ft das, wenn man diesen Gedanken mal wörtlich nimmt.

Das Videoin­t­er­view und die didak­tis­chen Mate­ri­alien find­en sich dem­nächst auf diesen Seit­en.